Liquiditätsplanung Architekten – Leitfaden für Architekturbüros
- Bernhard Adler
- vor 6 Tagen
- 7 Min. Lesezeit
Architekturbüros sind kreativ, präzise und oft sehr geduldig. Geduldig vor allem mit Geldflüssen. Zwischen erster Skizze, Modellbau, Visualisierung, Genehmigungen und der tatsächlichen Zahlung durch den Bauherrn liegen nicht selten Monate. Wer dann die Vorleistungen nicht sauber im Blick hat, riskiert Engpässe, obwohl die Auftragslage gut ist. Genau hier hilft eine strukturierte Liquiditätsplanung, idealerweise integriert in ein ERP-System, das alle Daten ohnehin kennt.
Warum Liquidität in Architekturbüros besonders anspruchsvoll ist
Die Leistungserbringung erfolgt in Phasen, die Zahlungen aber kommen etappenweise oder nach Abnahmen. Hinzu kommen:
Vorfinanzierungen für Modelle, Visualisierungen, Wettbewerbe, Vermessung, Gutachten und Fachplaner
Lange Zahlungsziele bei öffentlichen Auftraggebern oder großen Bauherren
Verschiebungen durch Genehmigungsprozesse, Bürgerbeteiligungen, Kostenprüfungen
Nachträge, Teilleistungen und gestaffelte Abschlagsrechnungen
Wiederkehrende Fixkosten wie Miete, Software, Versicherungen, Fahrzeuge, Büroinfrastruktur
Die Folge sind Zeiträume, in denen die Ausgaben deutlich vor den Einnahmen liegen. Ein stabiles Auftragsbuch schützt nicht vor einem negativen Kontostand, wenn die Zahlungsströme falsch getaktet sind. Wer hier mit einer belastbaren Liquiditätsplanung arbeitet, hat einen deutlichen Vorteil: Klarheit über den virtuellen Kontostand heute, morgen und übernächsten Monat.
Was Liquiditätsplanung für Architekten im ERP wirklich leisten muss
Ein gutes ERP-Modul zur Liquiditätsplanung bildet nicht nur Zahlen ab. Es unterstützt Entscheidungen und schafft Transparenz ohne Mehrarbeit. Entscheidend sind die folgenden Funktionen.
Virtueller Kontostand auf Knopfdruck
Zusammenführung aller geplanten Ein- und Auszahlungen nach Fälligkeit
Einbezug offener Kundenrechnungen, Lieferantenrechnungen und Daueraufträge
Projektsicht, Abteilungssicht und Gesamtsicht in einem System
So sehen Geschäftsführung, Projektleitung und Buchhaltung sofort, wie sich der Kontostand über die nächsten Wochen und Monate voraussichtlich entwickelt. Und zwar ohne manuelles Kopieren in Tabellen.
Farbliche Hervorhebungen machen Risiken sichtbar
Die beste Liste nützt wenig, wenn das Auge nicht geführt wird. Farbige Markierungen unterstützen schnelle Entscheidungen:
Rot: überfällige Rechnungen und kritische Bestellungen
Gelb: fällige Posten in den nächsten Tagen
Grün: geplante Einnahmen, die Zahlungsfähigkeit stärken
Blau oder Grau: Dauerrechnungen, die regelmäßig abfließen
Diese Optik lässt sich im Idealfall anpassen, etwa mit Schwellenwerten für Warnungen oder projektbezogenen Filtern.
Wiederkehrende Zahlungen im Griff
Miete, Lizenzen, Wartung, Versicherungen, Leasing, Telefonie. All das sind verlässliche Posten, die jeden Monat am selben Tag anfallen. Das Modul sollte:
Dauerrechnungen zentral verwalten
Indexierungen oder Staffelungen berücksichtigen
Einmalige Abweichungen zulassen, etwa bei temporären Anpassungen
So verschwinden keine Fixkosten aus dem Blick und die Monatsplanung bleibt realistisch.
Automatische Datenbasis und klare Trennung von Ist und Plan
Ein sauberer Liquiditätsplan entsteht nicht in Excel, sondern direkt aus den Prozessen:
Ableitung aus im ERP erfassten Kundenrechnungen und Bestellungen
Klare Kennzeichnung von Ist-Werten, die bereits gebucht sind
Separate Spalten und Sichten für Plan-Werte, die noch nicht fällig oder bezahlt sind
Tägliche oder sofortige Aktualisierung bei Änderungen
Die Trennung von Ist und Plan verhindert Scheingenauigkeit. Gleichzeitig zeigt sie, wie robust der Cashflow im jeweiligen Monat wirklich ist.
Steuerung, Nachverfolgung und schnelle Korrekturen
Realität schlägt Plan. Deshalb braucht es Werkzeuge, um auf Abweichungen zu reagieren:
Anpassung von Fälligkeiten, wenn Kunden um Verschiebung bitten oder Lieferanten später liefern
Direktes Springen aus dem Liquiditätseintrag zur zugrundeliegenden Kunden- oder Lieferantenrechnung
Notizen und Statusinformationen pro Posten, etwa verhandelte Skonti oder Mahnstufen
So werden Entscheidungen dokumentiert und sind für das Team nachvollziehbar.
Export und Individualisierung
Nicht jeder arbeitet täglich im ERP. Ein praktikabler Arbeitsablauf umfasst:
Export des vollständigen Liquiditätsplans als Excel-Datei
Eigene Ansichten für Projekte, Abteilungen, Kostenstellen oder Mandanten
Freigabe definierter Sichten an andere Mitarbeitende mit passenden Rechten
Die Finanzleitung kann etwa eine Monatsvorschau pro Projektleitung teilen, ohne sensible Gesamtdaten zu öffnen.
Anwendung auf typische Architekturprojekte
Die Besonderheiten eines Bauprojekts verlangen eine mittel- bis langfristige Sicht. Das ERP hilft, wenn es an die Praxis angepasst wird.
Vorfinanzierungskosten einplanen: Visualisierungen, Modelle, externe Gutachten, Wettbewerbsbeiträge
Zahlungsbedingungen abbilden: wann stellt das Büro eine Abschlagsrechnung, wann zahlt der Bauherr, welche Skonti gibt es
Lieferantenkonditionen berücksichtigen: 14 Tage netto, 30 Tage netto, Abschläge, Anzahlungen
Phasenabhängige Ausgaben: mehr Aufwand in Wettbewerbs- und Entwurfsphasen, geringere Ausgaben in ruhigen Genehmigungsphasen, dann wieder höher in Ausführungsplanung und Bauüberwachung
Szenarien bauen: Verzögerung um 30 Tage, Anstieg der Dauerrechnungen um 5 Prozent, zusätzliche Visualisierungen für Marketing
Beispielhafte Zeitleiste für einen mittelgroßen Auftrag
Die folgende Tabelle zeigt eine verdichtete Vorschau für sechs Monate. Werte sind illustrativ.
Monat | Ist-Einnahmen | Ist-Ausgaben | Plan-Einnahmen | Plan-Ausgaben | Netto Monat | Prognose Kontostand |
M1 | 120.000 | 145.000 | 0 | 20.000 | -45.000 | 260.000 |
M2 | 80.000 | 110.000 | 40.000 | 15.000 | -5.000 | 255.000 |
M3 | 60.000 | 95.000 | 130.000 | 25.000 | 70.000 | 325.000 |
M4 | 30.000 | 105.000 | 160.000 | 15.000 | 70.000 | 395.000 |
M5 | 20.000 | 120.000 | 90.000 | 20.000 | -30.000 | 365.000 |
M6 | 50.000 | 100.000 | 120.000 | 30.000 | 40.000 | 405.000 |
Interpretation:
In M1 und M2 drücken Vorleistungen den Cashflow, obwohl die Leistungserbringung planmäßig läuft.
Ab M3 stabilisieren Abschläge die Liquidität.
In M5 wird eine größere Ausgabespitze sichtbar, die in der Planung bereits eingerechnet ist.
Mit solchen Tabellen bekommen Projekt- und Geschäftsleitung ein gemeinsames Bild und können früh gegensteuern.
Szenarien: Verzögerte Zahlung und steigende Dauerrechnungen
Szenario A: Der Bauherr begleicht eine 160.000 Euro Abschlagsrechnung 30 Tage später.
Wirkung: Verschiebung eines großen Eintrags von M4 nach M5
Mögliche Gegenmaßnahmen:
Skontoangebote an Lieferanten nutzen und Fristen optimieren
Kurzfristige Kreditlinie nutzen, sofern verfügbar
Interne Ausgaben, die nicht kritisch sind, um wenige Wochen schieben
Aktive Kommunikation mit dem Bauherrn und optional Teilzahlung vereinbaren
Szenario B: Miete und Softwarelizenzen steigen ab Q3 um 8 Prozent.
Wirkung: Dauerrechnungen erhöhen sich dauerhaft
Mögliche Maßnahmen:
Proaktive Preisanpassung bei wiederkehrenden Kunden prüfen
Interne Effizienzpotenziale heben, etwa durch Bündeln von Lizenzen
Reservepolster für Fixkosten um einen Monatswert erhöhen
Das ERP-Modul sollte beide Szenarien als alternative Planversionen speichern, damit man nicht über einer einzigen Excel-Variante brütet.
Vorgehensmodell für die Einführung im Büro
Ausgangslage klären
Welche Daten liegen bereits strukturiert im ERP vor
Wie werden Rechnungen, Abschläge, Bestellungen derzeit erfasst
Welche Bankkonten, Kreditlinien und Sicherheiten existieren
Datenqualität absichern
Pflichtfelder für Fälligkeiten, Zahlungsziele, Kostenstelle, Projekt
Standardisierte Bezeichnungen für Dauerrechnungen und Abos
Einheitliche Kreditoren- und Debitorenstammdaten
Sichten definieren
Geschäftsführung: Gesamtcashflow, Warnschwellen, Szenarien
Projektleitung: projektbezogene Ein- und Auszahlungen, Bestellungen
Buchhaltung: Mahnwesen, Skontofristen, Kontenabgleich
Warnlogik festlegen
Ampelfarben, Schwellen pro Zeitraum
Automatische E-Mails oder Aufgaben bei drohenden Engpässen
Regeln für Fälligkeitsverschiebungen mit Dokumentationspflicht
Schulung und Pilot
Ein Pilotprojekt im Modul abbilden
Lessons learned in Richtlinien gießen
Rollout auf alle Projekte
Regelmäßige Steuerung
Wöchentliche Kurzreview in 15 Minuten
Monatlicher Forecast inklusive Szenarien
Quartalsweise Anpassung der Dauerrechnungen und Budgets
Kennzahlen, die im Alltag helfen
Liquiditätsreichweite in Tagen: vorhandener Bestand geteilt durch durchschnittliche Tagesausgaben
DSO für Architektenrechnungen: durchschnittliche Tage bis Zahlungseingang
Anteil überfälliger Posten in Prozent des offenen Volumens
Verhältnis Plan zu Ist je Monat: wie realistisch ist die Prognose
Anteil wiederkehrender Fixkosten am Monatsgesamtaufwand
Vorfinanzierungsquote je Projekt: Ausgaben bis zur ersten Abschlagszahlung
Aus diesen Kennzahlen lassen sich Regeln ableiten. Beispiel: Wenn die Liquiditätsreichweite unter 45 Tage fällt, werden neue Bestellungen über 20.000 Euro erst nach Freigabe getätigt.
Zusammenarbeit zwischen Projektleitung und Verwaltung
Liquide bleibt, wer Zahlen gemeinsam verantwortet. Gute Praxis:
Projektleitung pflegt realistische Terminierungen für Abschlagsrechnungen
Verwaltung erfasst Lieferantenrechnungen tagesaktuell und sichert Fälligkeiten
Mahnwesen startet früh, aber freundlich, mit Ankündigung per E-Mail und Telefon
Entscheidung über Fälligkeitsverschiebungen dokumentieren, inklusive Begründung
Regeltermin: 15 Minuten pro Woche mit Blick auf die kommenden 30 und 60 Tage
Diese Routinen schaffen Ruhe im Tagesgeschäft und vermeiden Überraschungen.
Best Practices und häufige Stolpersteine
Bewährte Praktiken:
Reserve definieren: mindestens ein Monatsaufwand auf dem Hauptkonto
Abschlagslogik prüfen: lieber häufiger kleiner, statt selten groß
Lieferantenkonditionen verhandeln: Skonti nutzen, Zahlungsziele angleichen
Wiederkehrende Ausgaben bündeln und jährlich neu bewerten
Automatische Mahnstufen mit persönlicher Ansprache kombinieren
Typische Fehler:
Nur auf den Kontostand heute schauen, die nächsten 60 Tage ignorieren
Planwerte ohne letzte Prüfung stehen lassen, obwohl Termine sich verschoben haben
Dauerrechnungen in projektbezogene Listen mischen und damit vergessen
Zu viele Excel-Varianten parallel führen, die vom ERP entkoppelt sind
Farbmarkierungen ohne klare Bedeutung einsetzen
So unterstützt das ERP die Vorfinanzierung im Projekt
Ein kurzer Ablauf, der sich im Modul abbilden lässt:
Projekt anlegen mit Phasen, Budgets und erwarteten Abschlägen
Vorfinanzierungen erfassen: Modelle, Renderings, externe Planer, Wettbewerbsgebühren
Lieferantenbestellungen mit Fälligkeiten und Zahlungszielen anlegen
Abschlagsrechnungen terminiert einpflegen, inklusive Toleranzen
Wöchentlicher Abruf des virtuellen Kontostands für das Projekt
Frühwarnung bei Verschiebung einer großen Zahlung, automatische Aufgabe an die Projektleitung
Bei Verzögerung: Fälligkeit im Plan verschieben, neues Szenario speichern
Export der Projektsicht als Excel für Bauherrengespräch oder internes Lenkungsteam
Die Verbindung aus operativen Daten und Liquiditätsvorschau macht den Unterschied. Jede Buchung wirkt direkt in den Forecast hinein.
Visualisierung und Priorisierung mit Farben
Farbliche Hervorhebungen sind mehr als Kosmetik. Sie strukturieren das Handeln:
Alle Einzahlungen über 50.000 Euro in kräftigem Grün, damit sie für Terminpflege priorisiert werden
Überfällige Kundenzahlungen in Rot mit Hinweis auf Mahnstufe
Große Auszahlungen in Gelb, wenn sie in den nächsten 7 Tagen anstehen
Wiederkehrende Fixkosten in dezentem Grau, um den Blick auf variable Posten zu lenken
In Kombination mit Filtern ergeben sich klare Arbeitslisten, etwa alle roten Posten im nächsten Quartal für Projekt X.
Rollen und Verantwortlichkeiten
Geschäftsführung: Festlegung der Schwellen, Freigabe größerer Bestellungen in Engpassphasen, Gespräche mit wichtigen Bauherren
Kaufmännische Leitung: Qualität der Daten, Monatsforecast, Szenarien, Bankkontakte
Projektleitung: Pflege der termingerechten Abschlagsrechnungen, Rücksprachen bei Verzögerungen, Status in wöchentlichen Meetings
Buchhaltung: Mahnwesen, Skontosteuerung, korrekte Verbuchung von Dauerrechnungen, Datenpflege
Klare Rollen vermeiden Lücken in der Kette vom Angebot bis zur Zahlung.
Mini-Case: 35-köpfiges Büro mit zwei Großprojekten
Ausgangslage: Das Büro bearbeitet zwei Großprojekte mit je 2,5 Millionen Euro Honorarvolumen, mehrere kleinere Projekte laufen parallel. In den ersten Monaten müssen Modelle und Visualisierungen vorfinanziert werden, insgesamt rund 180.000 Euro in drei Monaten.
Vorgehen mit ERP-Liquiditätsplanung:
Alle Bestellungen zu Modellen, Renderings und Fachplanern werden mit realen Fälligkeiten im System erfasst
Abschlagsplan wird projektweise im ERP hinterlegt, Anzahlungen des Bauherrn werden angefragt
Das Modul zeigt, dass im zweiten Monat ein potenzieller Negativsaldo droht
Maßnahmenpaket:
Skontoabstimmung mit Modellbauern, 2 Prozent bei Zahlung innerhalb von 10 Tagen
Teilabschlag über 90.000 Euro vorziehen, Bauherr stimmt zu
Interne Beschaffung eines Teils der Hardware um vier Wochen schieben
Ergebnis: Kein Abruf der Kreditlinie nötig, obwohl der Vorlauf anspruchsvoll war. Die Projektsicht bleibt transparent, die wöchentliche 15-Minuten-Runde reicht für Steuerung und Priorisierung.
Schnellstart-Checkliste für Ihr Büro
Fälligkeiten sind Pflichtfelder bei allen Rechnungen und Bestellungen
Dauerrechnungen als eigene Kategorie mit Indexierung pflegen
Ampellogik definieren, Schwellen für Rot, Gelb und Grün festlegen
Wöchentliche Kurzreview der nächsten 60 Tage implementieren
Projektspezifische Sichten für die Projektleitung freigeben
Szenarienfunktion nutzen: Verzögerungen und Kostenanstiege durchspielen
Monatliche DSO-Analyse und Maßnahmen im Mahnwesen ableiten
Excel-Export für externe Termine nutzen, aber das ERP als Quelle beibehalten
Mit dieser Grundausstattung wird Liquidität planbar. Das Büro gewinnt Handlungsspielraum, Gespräche mit Bauherren und Lieferanten werden auf Basis klarer Zahlen geführt, und die kreative Arbeit bekommt die finanziellen Leitplanken, die sie verdient.
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